Christoph Vitali

Ich kenne und schätze Franziskus Wendels nun schon fast 15 Jahre, seit dem Jahre 1994, als ich ihn in dem damals von mir geleiteten Haus der Kunst in München, einen der ersten der vom Bundesverband der Deutschen Volks- und Raiffeisenbanken gestifteten Deutschen Kunstpreise übergeben durfte. Danach, 10 Jahre später, schrieb ich einen Beitrag für den Katalog der Ausstellung "Landflucht" in der Küppersmühle in Duisburg und Museum Ludwig in Koblenz. Als nun kürzlich Fotos der neuesten Arbeiten vom Künstler erhielt, war mein Erstaunen groß darüber, wie sehr sich das Werk des inzwischen bald 48jährigen verändert und weiterentwickelt hat.

Lassen Sie mich versuchen, diese ausserordentlich spannende Werkentwicklung in Kürze nachzuzeichnen.
Da ich nicht weiß in welcher Reihenfolge die Bilder im Katalog aufgeführt werden oder in der Ausstellung gehängt werden, möchte ich sie in meiner eigenen Reihenfolge beschreiben.

Waren es am Anfang der 90er Jahre abstrakt-geometrische Arbeiten gewesen, die den jungen Künstler auszeichneten, so hatte er schon 10 Jahre später den Weg zurück zur Figuration gefunden. In dem halben Jahrzehnt seither haben sich seine Ausdrucksmöglichkeiten neuerlich stark erweitert und ebenso radikal verändert. Noch immer greift er zwar die Stadtlandschaften auf, etwa in "Fügung 8", "Housing", "Orbit 5" oder "Lucky hour 5", die jedoch deutlich noch lichtflirrender geworden sind. "Arrivero" 4 und „Süd 3 sind zwei diesmal farbige Stadtbilder, wohl aus Italien, in satten hellen Gelb- und Brauntönen oder noch stärker aufgelöst in "Undercover" 1 und 3. Dazu kommen plötzlich wunderbare Hafenlandschaften mit in dunkles Blau und Grün gehüllten Schiffen wie "Wird kommen.." 3 und 4 und "Big Ahoi" hinzu. Den Stadt- und Hafenlandschaften gesellen sich neuerlich unerwartet Berglandschaften hinzu in "Echo" 1,4,5 und 7, mit verschlafenen Alphütten in tiefblauer Landschaft und nur durch ein golden gleißendes Fenster fast magisch erhellt. In "Reflex" 1 und 2 und in "Sonntag 5" taucht ebenfalls erstmals in Wendels vielseitigem Schaffen das Interieur auf mit Ständerlampen in zumeist wiederum warmen Farben. Das neue Thema des Interieurs wird in Arbeiten wie "Das letzte in Kürze" 4 und 5 weitergeführt, in denen faszinierende Innenräume mit großen, fahl erleuchteten Fensterpartien und ebenso eindrücklichen Glasdecken fast greifbar zu erleben sind. In den Arbeiten "Nemesis" 2-7 ist der inhaltliche Bezug wieder auf rätselhafte Weise verschlüsselt. Es handelt sich wohl um Säulenfüße oder Partikel, die eigenwillig von pflanzlichen Gebilden überschattet sind. Einen neuerlichen, fast kompletten Übergang in die Abstraktion stellen wir in "Elle", "Ich Dich auch", sowie in "Lydisch", "Flagranti" und "Flagranti 3" fest, der in "Hide and seek" 1,2,4,7,8 fünf in ihrem Kontrastreichtum bedeutenden Arbeiten konsequent zu Ende gedacht und vollends in überzeugender Weise vollzogen wird. Der erstmals gegenüber zahlreichen gemalten Bildern rein fotografischen Rauminstallation "Landflucht" im Katalog von 2004 gesellt sich mit "Count down" ein weiteres Beispiel hinzu. Besonders spannend und attraktiv ist die Gegenüberstellung von fotografischen Innenräumen, eine Art Schwimmbad oder leergeräumte Großküche mit und ohne Menschen, mit gefliesten Fußböden und Wänden oder eine kleinbürgerliche Fensterwand mit Vorhänglein über Heizkörper mit erneut bis dicht zur Abstraktion getriebenen, nur noch spurenhaft erahnbaren Stadt-Licht-Bildern. Vollends rätselhaft, aber nicht minder geheimnisvoll für sich einnehmend sind schließlich runenhafte Zahlen und Buchstabenkombinationen in grellem, heftigem Grün.

Mit seinen Arbeiten seit 2004/2005 ist Franziskus Wendels einen weiten Weg gegangen, der ihn für die Zukunft fast alle Optionen offen hält. Ich bin auf die Weiterentwicklung in der zweiten Lebenshälfte des Künstlers außerordentlich neugierig. Vielleicht vollzieht sie sich folgerichtig, vielleicht erfolgt im nächsten Jahrzent ein ebenso spannendes, neuerliches Umdenken, ein neuerlicher Neubeginn. Wir dürfen wahrhaftig darauf gespannt sein. Zu den jetzt in drei großen deutschen Kunstvereinen gezeigten Arbeiten spreche ich Franziskus Wendels meine hohe, ungeteilte Anerkennung aus. Aus einem sehr tallentierten, jungen Künstler ist heute schon ein Meister zahlreicher Ausdrucksmöglichkeiten der zeitgenössischen Kunst geworden, der für die Zukunft noch sehr viel verspricht.


Christoph Vitali
(Juni 2008 / Im Katalog IN-Side-OUT)
Bildname
Süd
sonntag
Bildname
Bildname
Landflucht

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