Bärbel Schulte
"Die Verabredung", 2002 (Franziskus Wendels)

In einem großen Zimmer, erleuchtet nur durch das kalte Neonlicht der Straßenlampen, das durch die Gardinen scheint, hebt sich eine etwas altmodische Sehlampe scharf vor dem Hintergrund ab. Teile weiterer Möbelstücke, vielleicht eine Tischplatte und zwei Sessellehnen lassen sich in dem dämmrigen Licht ausmachen. "Die Verabredung" ist der Titel dieser Arbeit von Franziskus Wendels, die beim Betrachter sofort die Frage aufwirft, welche Geschichte sich hier hinter verbirgt. Zu einer Verabredung gehören üblicherweise mindestens zwei Personen, aber keine Person, nur dieses kalte Licht erfüllt den Raum, der dadurch fast unbewohnt, merkwürdig fremd wirkt. Ist hier jemand versetzt worden und wartet möglicherweise immer noch traurig, einsam in der Dunkelheit in einem der Sessel? Ist hier vielleicht sogar ein Verbrechen geschehen? Das grelle Licht von außen lässt darauf schließen, dass wir uns in einer Großstadt befinden, vielleicht in einem Hotelzimmer. Das Licht zieht den Blick an, macht neugierig. Franziskus Wendels selbst hat einmal formuliert: "Nur da, wo ein Licht ist, ist etwas, auch wenn nichts da ist." Über das Etwas, was da sein könnte, kann man nur spekulieren, denn der Voyeur bleibt unbefriedigt. Das Geheimnis der Menschen bleibt gewahrt, sie bleiben anonym in einer eigenen, für uns fremden Welt, aus der wir ausgeschlossen sind. Und obwohl Wendels die vom Menschen gemachte Welt thematisiert, obwohl er Ausschnitte aus dem urbanen Raum darstellt, ist der Mensch selbst in den Bildern völlig ausgespart. Wir finden lediglich seine Spuren. Der nächtliche Blick in dieses fremde Zimmer irritiert den Betrachter und wirft Fragen auf, auf die es keine Antworten gibt.
Franziskus Wendels' jüngste Arbeiten sind eine stringente Fortführung der Themen, mit denen er sich schon seit Jahren beschäftigt: die nächtliche Großstadt, die Wirkung des Lichtes und das Verhältnis zwischen dem Licht und seinem Schein.
Nikolaus Cusanus äußerte zum ersten Mal die Idee, dass Licht nicht nur die Farbe der Gegenstände zeigt. Das Licht schafft die Farben vielmehr: "Omnis esse coloris datur per lucem descendentum." Wir sind gewohnt, dass das Licht den umgebenden Gegenständen Form, Kontur und Farbe verleiht. Bei Franziskus Wendels wird diese Theorie immer wieder in Frage gestellt, denn trotz des Lichtes, trotz der erhellten Fenster, wirken sie fast farblos. Der magere Schein, der durch die Fenster fällt, wird vom Dunkel der Nacht sofort absorbiert. Das künstliche Licht, dem Franziskus Wendels sich seit jeher verschrieben hat, erhellt nicht wirklich den Raum. Das ist das eigentlich Beunruhigende und Irritierende an den Arbeiten. Erst bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass das verwaschene Graublau oder Graugrün des Hintergrundes sich in Wirklichkeit aus vielen verschiedenen Farbpartikeln zusammensetzt, dass er die kalte, verwaschen-weiße Farbe mit der Sprühdose aufnebelt und dadurch das Versickern des Lichtes im nächtlichen Dunst täuschend echt auf die Leinwand überträgt.
In der Behandlung des Sujets Licht steht Franziskus Wendels in einer langen Tradition, doch transponiert er dieses Thema in unsere heutige Zeit, rückt es gewissermaßen in ein zeitgenössisches Licht. Denn er zeigt uns nicht die dramatisch und geheimnisvoll beleuchteten Szenerien eines Rembrandt, nicht die sonnendurchflutete Blumenwiesen der Impressionisten, sondern die Reflexe des künstlichen Lichtes im urbanen Raum. Dass er seine Eindrücke im Laufe seiner Arbeit immer stärker reduziert, praktisch nur noch auf das Gegensatzpaar Licht und Dunkel beschränkt, dient, wie er selbst sagt, "auch immer einer inhaltlichen Klärung und Konzentration." Die Dunkelheit der Nacht hilft ihm bei dem Reduktionsprozess, denn sie reduziert an sich schon, indem sie ihren Schleier über alles legt, hässliche wie schöne Details damit verdeckt und nur schemenhaft die wichtigsten Strukturen sichtbar lässt.
Das Konzentrat, die Kernaussage dessen, was er uns vermitteln will, ist sehr ambivalent und muss, wie Gisela Fiedler-Bender einmal schrieb, "denkend gelesen werden." Franziskus Wendels' Bildräume legen Zeugnis ab über das reflektierende Bewusstsein des Künstlers. Sie sind nicht identifizierbar und nicht berechenbar und kommen uns trotzdem irgendwie bekannt vor. Sie oszillieren zwischen Raum und Fläche, zwischen Gegenständlichkeit und Ungegenständlichkeit. Sie sind nicht narrativ und bergen dennoch tausend Geschichten. In ihrer Mehrdeutigkeit entziehen sie sich jedem eindeutigen Zugang. Damit hebt sich Franziskus Wendels aus dem allgemeinen Kunstbegriff heraus und schafft Grenzflächen, die vielleicht zu einer neuen Aufmerksamkeit in der visuellen Wahrnehmung führen.
Die Verabredung
Hahnwald 1
St. Elisabeth
Zusage